Dekubitusvorbeugung was kann der Pflegedienst leisten?
Wir sind im Gespräch mit Gonda Bauernfeind. Sie ist Pflegedienstleiterin, RN, Wundtherapeut / WTcert®DGfW (Pflege), Beirat der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW), Mitglied der DNQP Expertenarbeitsgruppe „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“, Mitglied der DNQP Expertenarbeitsgruppe „Dekubitusprophylaxe in der Pflege“, 2. Aktualisierung 2017, Sachverständige/Gutachterin.
Woran erkennt man einen guten Pflegedienst?
Interview mit Gonda Bauernfeind
Gibt es bei Pflegediensten Unterschiede in Angebot und Leistung, Frau Bauernfeind?
Generell bieten die meisten Pflegedienste die gleichen Leistungen an. Ausgenommen sind Spezialpflegedienste, die spezielle Leistungen erbringen wie zum Beispiel Intensivpflege. In der Regel umfasst das Angebot von Pflegediensten Leistungen der Pflegekasse nach SGB XI (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), Krankenkassenleistungen nach SGB V (Fünftes Buch Sozialgesetzbuch), hauswirtschaftliche Dienste und Betreuungsangebote.
Jedoch unterscheiden sich die verschiedenen Pflegedienste in ihren Strukturen, Prozessen und der Ergebnisqualität extrem voneinander. Ein wichtiger Aspekt ist beispielsweise, wie schnell ein Pflegedienst auf Veränderungen reagieren kann. Ist der Pflegedienst in der Lage, innerhalb eines Tages die Leistungen von einem Einsatz am Tag auf zehn Einsätze pro Tag anzupassen oder auch umgekehrt?
Woran erkennt man einen guten Pflegedienst?
Für den Laien ist es sehr schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen, da er nur schlecht die Qualität eines Pflegedienstes einschätzen kann. Hilfreich für den Pflegebedürftigen bzw. seine Angehörigen kann der Pflegenavigator der AOK sein. Hier können Informationen zu den Pflegediensten in der Umgebung eingeholt werden. Darüber hinaus werden für jeden zugelassenen Pflegedienst die Ergebnisse der letzten Qualitätsprüfungen veröffentlicht. Diese Qualitätsprüfungen werden vom Medizinischen Dienst/Privaten Krankenversicherung durchgeführt.
Welche Fragen kann man stellen, um herauszufinden, ob eine ausreichende Qualifizierung in der Dekubitusprävention vorhanden ist? Und welche Antworten erhält man bestenfalls?
Im Rahmen der Dekubitusprävention könnte der Klient/Angehörige folgendes fragen:
- Haben Sie den Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege des Deutschen Netzwerkes für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) in Ihrer
Einrichtung implementiert?
Optimale Antwort: Ja, wir haben den Expertenstandard schon im Jahr 2000 implementiert und aktualisieren diesen regelmäßig.
- Liegen Ihrer Einrichtung Qualitätsindikatoren zur Dekubitusprävention und Dekubitusfälle (Wundliegegeschwüren) vor? Bewerten Sie diese regelmäßig?
Optimale Antwort: Ja, wir beurteilen regelmäßig selbst unseren Pflegedienst in punkto Qualität. Uns liegen Zahlen zu Dekubitushäufigkeit und Wirksamkeit der Maßnahmen vor.
- Haben Sie eine Verfahrensregelung zur Dekubitusprophylaxe und zur Dekubitustherapie?
Optimale Antwort: Ja, wir haben eine Verfahrensregelung und hier ist ganz klar festgelegt, wer bei dekubitusgefährdeten Personen weisungsbefugt ist und wer mit Mitarbeitern, Angehörigen, Hausarztpraxis und anderen Berufsgruppen die Kommunikation sowie die Beschaffung von Pflegehilfsmitteln übernimmt.
- Haben Sie eine pflegerische Fachexpertin/einen pflegerischen Fachexperten mit einer Zusatzqualifikation (Wundexperte ICW, DGfW Wundassistent oder Wundtherapeut), die/der die Dekubitusprophylaxe und die Dekubitusbehandlung steuert?
Optimale Antwort: Ja, wir haben eine Pflegefachkraft mit einer solchen Zusatzqualifikation und diese wird bei jeder Dekubitusgefahr oder bei einem Dekubitus hinzugezogen. Sie übernimmt die Einschätzung, jegliche Kommunikation, Beratung und gibt entsprechende Anweisungen den Mitarbeitern gegenüber (Fallbesprechung).
Und was ist, wenn bereits ein Druckgeschwür entstanden ist? Sind die Pflegedienste in der Wundbehandlungspflege gleichermaßen qualifiziert?
Im Bereich der Wundbehandlung gibt es viele unterschiedliche Qualifikationen. Der Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ (DNQP) fordert Zusatzqualifikationen der entsprechenden Fachgesellschaften wie Wundassistent/Wundtherapeut (Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung – DGfW), Wundexperte/Pflegetherapeut/Fachtherapeut (Initiative Chronische Wunden – ICW) oder Pflegeexperten Stoma, Kontinenz und Wunde (Fachgesellschaft Stoma, Kontinenz und Wunde – FgSKW).
Der Pflegeauftrag ist erteilt. Welche Leistungen kann ich vom Pflegedienst erwarten, insbesondere im Hinblick auf die Dekubitusprophylaxe?
Sobald der Pflegedienst einen pflegerischen Auftrag übernimmt, muss die Pflegefachkraft jegliche notwendige Prophylaxe erkennen und Maßnahmen ableiten. Die Pflegefachkraft muss die Bezugsperson über notwendige Maßnahmen informieren und diese schriftlich fixieren. Falls der Pflegedienst im Pflegeauftrag einen Positionswechsel durchführt, muss der Pflegedienst einen Bewegungsförderungsplan mit allen Beteiligten erstellen und diesen regelmäßig evaluieren (beurteilen).
Was kann man als Angehöriger tun, wenn die Anzahl der täglichen Besuche des Pflegedienstes nicht genügen, um ausreichende, druckentlastende Maßnahmen (Positionswechsel) sicherzustellen und man selbst dazu nicht in der Lage ist?
Hier müssen die finanziellen Ressourcen geklärt werden. Der Pflegedienst kann mehrfache Einsätze – auch kleinere Einsätze – am Tag ggf. auch in der Nacht durchführen. Auch Laien – zum Beispiel Freunde, Bekannte, Nachbarschaftshilfe – können mit in die Versorgung eingeplant werden. Der Pflegedienst kann diese für den speziellen Fall anleiten. Es kann auch eine 24-Stunden-Kraft, die temporär im Haus des Klienten wohnt, eingesetzt werden. Wichtig dabei ist, dass diese Personen sozial- und krankenversichert sind und keine Schwarzarbeit erfolgt!
Viele wünschen sich für ihren Angehörigen eine zuverlässig gleichbleibende Pflegekraft in der Begleitung und Betreuung, damit sich eine vertrauensvolle Beziehung aufbaut. Ist das realistisch?
Viele Menschen wünschen sich das, allerdings sollte dies dem individuellen Fall angepasst werden. Es gibt Tätigkeiten, die nur durch eine Pflegefachkraft durchgeführt werden dürfen (zum Beispiel bestimmte Krankenkassenleistungen je nach Bundesland). Bei pflegerischen Leistungen werden Pflegehelfer:innen eingesetzt und speziell geschulte Alltagsbegleiter:innen übernehmen die Begleitung und Betreuung der Klienten. Alle Mitarbeitenden eines Pflegedienstes haben unterschiedliche Aufgaben, unterschiedliche Qualifikationen und demzufolge auch unterschiedliche Löhne. In der Regel übernimmt nicht ein Mitarbeitender alle Tätigkeiten, da er dafür nicht qualifiziert oder gegebenenfalls überqualifiziert und somit zu teuer ist. Optimal sind Pflegedienste, die in Touren organisiert sind. Das bedeutet, das im pflegerischen Bereich 2 – 3 Mitarbeiter:innen im Wechsel die Versorgung des Klienten übernehmen. In der Betreuung kann eine Alltagsbegleitung zugeordnet werden. Allerdings wird für den Krankheitsfall und Urlaubsfall eine Vertretung benötigt.
Bei Menschen, die allein leben, ist es sogar sinnvoll, dass Einsätze ganz bewusst getrennt geplant werden. So hat der Pflegebedürftige mehrmals am Tag unterschiedliche Ansprechpartner. Beispiel: Um 7:00 Uhr kommt eine Pflegefachkraft, um die Kompression anzulegen. Um 7:45 Uhr kommt eine Pflegekraft zur Körperpflege. Um 15:00 Uhr kommt die Hauswirtschaftskraft, um hauswirtschaftliche Dienste durchzuführen usw. Durch diese verschiedenen Einsätze und Mitarbeiter:innen hat der Pflegebedürftige mehr Ansprechpartner und somit mehr Abwechslung über den Tag verteilt. Dies empfinden die Pflegebedürftigen in der Regel angenehmer als eine Kraft, die alle drei Tätigkeiten durchführen würde (Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wäre dies ebenfalls nicht sinnvoll, da eine hochqualifizierte Pflegefachkraft eingesetzt werden müsste). Die Tourengestaltung in einem Pflegedienst ist eine große logistische Aufgabe. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle wie beispielsweise neue Klienten kommen dazu, andere Klienten brauchen keinen Pflegedienst mehr, die Mitarbeiter:innen müssen auf ihre Stunden kommen, Mitarbeiter:innen möchten eine höhere oder niedrigere Anstellung, werden schwanger oder möchten sich beruflich verändern. Die Touren sind von stetigen Veränderungen geprägt und die Einsatzleitung muss immer wieder die Dienstpläne anpassen und dabei die Klientenwünsche berücksichtigen. Eine gewisse Flexibilität muss auch beim Klienten und seinen Angehörigen vorhanden sein, sonst kann der Pflegedienst seinen Mitarbeitenden nicht gerecht werden. Nur mit zufriedenen Mitarbeitenden kann ein Pflegedienst erfolgreich geführt werden und den Klienten und deren Wünsche gerecht werden.
Worauf sollte man bei einem Pflegedienst noch achten?
- Wie viele Einsätze sind am Tag notwendig und wie viele Mitarbeiter: innen werden eingeplant?
- Sind die Mitarbeiter: innen in Touren eingeteilt? Zum Beispiel Früh- und Spätdienst. So kommen auch am Wochenende die gleichen Mitarbeiter:innen.
- Werden die geplanten Uhrzeiten mit +/- 15 Minuten durchgeführt? Oder können sich die Zeiten massiv verändern? Beispiel: Montag bis Freitag 7:00 Uhr bis 10:00 Uhr und am Wochenende 11:00 Uhr oder sogar 12:00 Uhr
- Ist der Pflegedienst Tag und Nacht persönlich erreichbar?
- Können Einsätze jederzeit und unproblematisch angepasst werden?
- Können unerwartete Kosten auf den Klienten bzw. seine Angehörigen zukommen?
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