Leistungen der Krankenkasse

Die Leistungen der Krankenkassen in der Hilfsmittelversorgung sind entgegen der allgemeinen Auffassung nicht gleich. Wie gut ein Versicherter versorgt wird, hängt in der Praxis entschieden von den Vertrags- und Vergütungsinhalten und damit von der Qualitätspolitik der einzelnen Krankenkasse ab.

Die Krankenkasse Viactiv haben wir als Interviewpartner ausgewählt, da sie gerade von der Tageszeitung „Der Welt“ zum dritten Mal in Folge bei den überregionalen deutschen Krankenassen auf Platz 1 und damit zum deutschen Champion bei Service und Kundenbegeisterung gewählt wurde.

https://servicevalue.de/rankings/deutscher-champion/

https://www.viactiv.de/unternehmen/auszeichnungen-der-viactiv

Das Interview führen wir mit Petra Vorderwülbecke. Sie ist als Teamleiterin Hilfsmittel seit 27 Jahren bei der Viactiv Krankenkasse in Rüsselsheim beschäftigt. Sie beantwortet uns Fragen, die bei Versicherten im Rahmen einer Dekubitusversorgung auftreten können.

„Es ist wichtig zu wissen, wohin man sich wenden kann, wenn ein Problem auftritt.“

Interview mit Petra Vorderwülbecke

Frau Vorderwülbecke, ein Elternteil ist pflegebedürftig, kann kaum noch aus dem Bett und es besteht das Risiko des Wundliegens. Wie kann Ihre Krankenkasse den pflegenden Angehörigen und den betroffenen Menschen jetzt unterstützen?

Unsere Motivation ist es, unsere Kunden in einer solchen Lebenssituation gut zu versorgen. Viele Menschen sind bei pflegerischen Herausforderungen in der häuslichen Umgebung nicht ausreichend informiert und hilflos. Daher möchten wir als Krankenkasse, dass unsere Kunden uns anrufen, damit wir sie gut beraten und begleiten können, in Zusammenarbeit mit unseren Partnern, mit denen wir Verträge zur Versorgung unserer Kunden geschlossen haben. Eine Krankenkasse kann dem Pflegebedürftigen die Hilfsmittel gegen Wundliegen zur Verfügung stellen, die im sogenannten Hilfsmittelverzeichnis gelistet sind. Es ist für alle Krankenkassen bindend. Darin wird beschrieben, bei welchen Krankheitssituationen, welche Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden können. In der Produktgruppe 11 des Verzeichnisses sind zum Beispiel alle Hilfsmittel gegen Dekubitus zusammengefasst. Das können Antidekubitusmatratzen, -kissen oder -lagerungshilfen sein. Nach einer ärztlichen Verordnung stellen Vertragspartner der Viactiv diese Hilfsmittel zur Verfügung. Dabei ist es uns sehr wichtig, dass unsere Vertragspartner in diesem Versorgungsbereich über eine hohe fachliche Qualifikation verfügen und zum Beispiel examinierte Pflegekräfte mit Erfahrung in der Dekubitusprophylaxe den Kunden beraten und die Hilfsmittel empfehlen.

Wie kommt man zu guten Vertragspartnern?

Neben einer sogenannten Präqualifizierung für den Hilfsmittelbereich wird zum Beispiel nur der Vertragspartner, der Fachpersonal beschäftigt und Zertifikate über aktuelle Schulungen und Weiterbildungen in der Dekubitusprophylaxe- und -therapie vorlegen kann. Das halten wir sorgfältig nach. Warum ist das wichtig? Bei der Dekubitusversorgung ist es wichtig, dass man den Menschen in seiner gesamten Krankheitssituation und in seinem pflegerischen Umfeld wahrnimmt und versteht. Hieraus kann man sein individuelles Dekubitusrisiko erkennen und daraus die Beratung und Hilfsmittelauswahl ableiten. Hierfür benötigt man eine deutlich höhere Qualifikation als in anderen Versorgungssituationen.

Die Versorgung unserer Kunden erfolgt meist so: Der Kunde, sein pflegender Angehöriger oder der Pflegedienst stellen fest, dass ein Risiko für das Wundliegen besteht oder bereits ein Dekubitus aufgetreten ist. Er wendet sich dann an seinen Arzt, der zum Beispiel eine spezielle Antidekubitus-Matratze verordnet. Der Kunde wendet sich an einen Vertragspartner von uns oder er reicht die Verordnung bei uns ein. Der Partner versorgt den Kunden dann umgehend mit den notwendigen Hilfsmitteln. Hierfür ist immer ein Hausbesuch verpflichtend, bei dem zum Beispiel weitere Risiken und notwendige Unterstützung für unsere Kunden und seine Angehörigen festgestellt werden können. Neben einer ausführlichen Beratung führt unser Partner natürlich auch die Einweisung in den Gebrauch des Hilfsmittels durch. Er zeigt ihm z. B., wie man das Hilfsmittel korrekt anwendet und den pflegebedürftigen Menschen dabei richtig lagert und mobilisiert. Diese Beratung, Einweisung und anschließende Nachbetreuung sind sehr wichtig und darum auch verpflichtend. Weiterhin stehen dem Kunden nach § 45 SGB XI Schulungen für pflegende Angehörige zu, in denen wichtige Pflegemaßnahmen wie Lagerung, Mobilisation und Transfer vermittelt werden.

Wie beantrage ich eine Schulungsmaßnahme, wo erhalte ich diese und was lerne ich dort?

Bei entsprechender Qualifikation kann die Schulung von unserem Vertragspartner z. B. bei der Lieferung des Antidekubitussystems durchgeführt werden. Möchten Angehörige darüber hinaus für die pflegerische Unterstützung eine umfassende Schulung erhalten, besteht die Möglichkeit, diese bei unserer Pflegekasse mündlich oder schriftlich zu beantragen. Hier werden Kurse für verschiedene Themen der pflegerischen Unterstützung angeboten. Die Viactiv bietet auch Online-Kurse an, die über unsere Homepage gestartet werden. (www.viactiv.de/leistungen/pflege/pflege-zu-hause/viactiv-online-pflegekurse). Interessierte Kunden nehmen dafür Kontakt mit uns auf, wir stellen einen sogenannten Gutscheincode zur Verfügung, womit der Angehörige dann einen Online-Pflegekurs absolvieren kann. Das wird zurzeit sehr oft nachgefragt. Aktuell haben wir vier Online-Kurse im Angebot: „Grundlagen der häuslichen Pflege“ und „Alzheimer und Demenz“, „Wohnen und Pflege im Alter“ und „Selbstfürsorge durch Achtsamkeit“. Kursangebote können auch durch andere Anbieter, wie zum Beispiel beim Roten Kreuz oder andere Pflegedienste in Anspruch genommen werden. Pflegende Angehörige können sich bei der Pflegekasse, dem Roten Kreuz oder dem Pflegedienst melden. Die Kosten des Kurses werden direkt mit uns abgerechnet. Selbstverständlich kann auch eine Kostenerstattung erfolgen, sollte man direkt selbst bezahlt haben. Für die Teilnahme bzw. Erstattung muss kein Pflegegrad vorliegen, man kann einfach interessehalber teilnehmen. Es gibt dabei keine mengen- und kostenmäßige Begrenzung. In solchen Schulungen lernen die Angehörigen neben den gesetzlichen Grundlagen zum Beispiel, wie sie den Pflegebedürftigen aus dem Krankenbett mobilisieren und ihn hautschonend bewegen um Wundliegen vorzubeugen. Es gibt natürlich eine ganze Menge Gesetzestexte, die für Laien nicht immer verständlich sind. Es ist nicht wichtig, darüber im Detail Bescheid zu wissen. Viel wichtiger ist es zu wissen, wohin man sich wenden kann, wenn ein Problem auftritt. Wir lotsen unsere Kunden da gerne. Schließlich hat der pflegende Angehörige schon mit der Versorgung des Pflegebedürftigen genug zu tun.

Bei der täglichen Hautinspektion habe ich eine Rötung bei meinem Angehörigen festgestellt. Was kann ich tun?

Hier kann die Krankenkasse zunächst nicht ansetzen. Sie sollten in diesem Fall unverzüglich den Arzt oder den Pflegedienst ansprechen. Es muss geprüft werden, welche ärztliche Versorgung nötig ist, ob ihr Angehöriger ausreichend gelagert und bewegt wird und ob Hilfsmittel erforderlich sind. Erst wenn Hilfsmittel und Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden, kann die Krankenkasse helfen.

Der Pflegedienst erscheint mir nicht kompetent in der Dekubitusprophylaxe oder -behandlung, was kann ich tun?

Auch hier muss zunächst der Arzt feststellen, ob ärztliche Behandlung, weitere pflegerische Maßnahmen oder Antidekubitus-Hilfsmittel angepasst werden müssen. Manchen Kunden ist es jedoch unangenehm, den Arzt oder Pflegedienst auf mögliche Defizite in der ärztlichen oder pflegerischen Versorgung hinzuweisen. Sie fragen uns als Krankenkasse dann nach Adressen anderer Ärzte und Pflegedienste oder auch nach pflegerischem Rat. Doch wir als Krankenkasse dürfen keine Ärzte oder Pflegedienste empfehlen. Darüber hinaus haben wir zwar Grundwissen zum Thema Dekubitus und wir können bestimmte Fragen beantworten. Aber wir haben keine ausgebildeten und auf Dekubitus spezialisierten Pflegekräfte am Telefon sitzen, die eine Situation aus der Ferne einschätzen können. Dennoch können wir das Problem unserer Kunden lösen, indem wir, das Pferd sozusagen „von hinten aufzäumen“: Wir können nach Einverständnis des Kunden einen fachkundigen Vertragspartner – auch ohne ärztliche Verordnung –  bitten, einen Hausbesuch vorzunehmen. Dieser kann dann die Situation vor Ort erfassen und anschließend Kontakt mit dem Arzt aufnehmen, um ihm die Situation aus seiner fachlichen Sicht darzulegen und ihm die Verordnung von Maßnahmen, zum Beispiel Hilfsmittel gegen Dekubitus zu empfehlen. Darum betonen wir, dass unsere Vertragspartner sehr hohe fachliche Qualifikationen vorweisen müssen. Für den fachlichen Dialog mit dem Arzt und Vorschläge, wie man unserem Kunden helfen kann, sind exzellente Fachkenntnisse und Erfahrungen dringend erforderlich. Besitzt man diese nicht, kann man nicht verantwortungsvoll mit dem Arzt sprechen und auch unserem Kunden nicht weiterhelfen. Im Anschluss an das Gespräch kann der Arzt die benötigten Hilfsmittel gegen Dekubitus verordnen und der Kunde schnell versorgt werden. So schließt sich wiederum der Kreis.

 

Ist die Leistung der Krankenkasse auf die Hilfsmittellieferung begrenzt? Grundsätzlich wird ein Hilfsmittel als Produkt immer in einfacher Stückzahl zur Verfügung gestellt, es sei denn, es liegen besondere hygienische Anforderungen vor. Zum Beispiel bei Kompressionsstrümpfen im Rahmen der Kompressionstherapie. Solche Hilfsmittel können wir in doppelter Ausführung zur Verfügung stellen, aber z. B. nicht zwei Krankenbetten oder zwei Antidekubitusmatratzen. Neben dem Hilfsmittel und der Gewährleistung seiner Funktionsfähigkeit stehen unserem Kunden während der gesamten Versorgungszeit Schulungen, Beratungen, Versorgungsüberprüfungen, erneute Einweisungen und ein Notdienst, das heißt eine echte Begleitung, uneingeschränkt und kostenfrei zur Verfügung. Dafür sind wir und unsere Vertragspartner immer da.

 

Was mache ich, wenn mein Angehöriger mit dem Hilfsmittel nicht zurecht kommt?

Wir stehen bei auftretenden Problemen zur Verfügung. Doch auch hier sind Arzt oder Hilfsmittel-Leistungserbringer die ersten Ansprechpartner. Wir können z. B. im Rahmen eines neuen Beratungsbesuchs überprüfen lassen, inwieweit eine individuelle Anpassung des Hilfsmittels bei Veränderungen in der Pflegebedürftigkeit notwendig ist. Manchmal ist es nur so, dass vergessen wurde, wie das Hilfsmittel korrekt genutzt wird, sodass eine erneute Beratung und Einweisung schon weiterhilft. Eine Hilfsmittelanpassung kann aber auch nötig werden im Rahmen eines Umzugs, wenn ein neues Wohnumfeld gegeben ist. Auch in diesem Fall ist ein Beratungsbesuch des Vertragspartners wichtig.

Was ist zu tun, wenn doch ein Druckgeschwür auftritt?

Hier braucht es die sofortige Kontaktaufnahme mit dem Arzt. Er muss schauen, ob der Lagerungsplan und die bisher eingeleiteten Hilfsmittelmaßnahmen noch in Ordnung sind. Entscheidend ist außerdem, ob die Begleitung engmaschig genug ist, evtl. eine häusliche Krankenpflege notwendig ist und ob Hautpflege, Wundversorgung und die Ernährung noch ausreichend sind. Gerade bei dekubitusgefährdeten und -betroffenen Patienten ist eine eiweißhaltige Nahrung von Vorteil. All diese Aspekte müssen mit dem Arzt, dem Pflegedienst, dem Vertragspartner für Hilfsmittel und uns engmaschig abgestimmt werden, sodass die pflegerischen Maßnahmen wieder in Einklang mit den Bedürfnissen des Kunden kommen und die Wunde heilen kann.

Wie gehe ich vor, wenn ein aus meiner Sicht wichtiges Hilfsmittel gegen Dekubitus abgelehnt wird?

Es kann vorkommen, dass Meinungsverschiedenheiten zum Beispiel zwischen dem Angehörigen und dem Hilfsmittellieferanten darüber bestehen, welche Matratze für den Kunden besser geeignet ist. Auch in diesen Fällen haben wir immer eine einvernehmliche Lösung finden können. Sollte es zu einer Ablehnung kommen, sollte immer direkt Kontakt mit der Krankenkasse aufgenommen werden. Es gibt eine sogenannte Widerspruchsfrist, die innerhalb von einem Monat eingehalten werden muss. Das heißt, der Kunde muss einen Widerspruch verfassen und dieser muss innerhalb eines Monats bei der Krankenkasse vorliegen. Wenn man nicht weiß, wie man diesen Widerspruch verfassen soll und dazu evtl. vorher noch einmal mit dem Arzt sprechen möchte, dann rate ich umgehend einen kurzen Zweizeiler wie folgt zu schreiben: ,Hiermit widerspreche ich dem Bescheid vom … (Datum einsetzen). Die nähere Begründung erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt.´ Dann hat man die Frist gewahrt und reicht die Begründung später nach.

Welche sind die wichtigsten Gesetze und Rechte, die ich als pflegender Angehöriger kennen muss?

Die Auflistung der Rechte und Gesetze in diesem Bereich würde uns bis morgen und darüber hinaus beschäftigen. Laien ist die Kenntnis dieser komplexen Thematik kaum zumutbar. Wie schon an anderer Stelle erwähnt: Wichtiger als die Kenntnisse, welche Gesetze und Rechte in einem individuellen Fall zur Anwendung kommen ist, wo man eine kompetente Beratung und vertrauensvolle Begleitung findet. Besteht ein Problem, mögen uns die Kunden bitte anrufen, wir beraten und begleiten sie, wir haben auch Pflegeberater, die zu ihnen nach Hause kommen und vor Ort helfen und natürlich unsere erfahrenen Vertragspartner und Leistungserbringer. All diese Menschen sind in dem Mikrokosmos „Dekubitus“ mit seinen vielen gelisteten Hilfsmitteln bewandert und man kann sie ansprechen, damit eine schnelle und wirksame Hilfe für den Pflegebedürftigen auf den Weg gebracht werden kann.

Was leistet speziell Ihre Krankenkasse für Menschen mit Dekubitusrisiko?

Wir Mitarbeiter aus dem Hilfsmittelteam sind von 7.30 bis 18.00 Uhr zu erreichen. In dieser Zeit können Sie mit uns persönlich sprechen. Die anderen Zeiten werden durch ein Callcenter abgedeckt, das uns über Anrufe außerhalb dieser Zeit informiert. Wir rufen den Kunden dann umgehend zurück. Unsere Kunden sollen in solch einer Lebenssituation bestmöglich versorgt werden. Dafür nehmen wir uns Zeit für ihr Anliegen. Das ist unsere Maxime und das bekommen wir von unseren Kunden zurück, manchmal z. B. in Form eines  Dankeschöns. Wir fordern eine hohe Fachlichkeit von unseren Mitarbeitern und Vertragspartnern. Zeit, Kompetenz und Fingerspitzengefühl sind uns wichtig und zugleich unser besonderer Service.

Petra Vorderwülbecke
Teamleiterin Hilfsmittel

VIACTIV Krankenkasse
Zentraler Posteingang
45064 Essen

Telefon 06142 8378-0
Telefax 0234 479-1720
petra.vorderwuelbecke@viactiv.de

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Ein Ratgeber für pflegende Angehörige

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